Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene (SS 97)

LS Prof.Dr. Ronellenfitsch

"Heilig´s Blechle "

Nachdem der zügig studierende Jurastudent S im 4. Semester mit Bestehen der Klausur im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene nunmehr scheinfrei ist, beschließt er, vor dem Besuch eines Repetitoriums noch einmal richtig auszuspannen und ab dem 1. Juli 1996 drei Wochen auf den Malediven zu relaxen.

Er entschließt sich, von Tübingen aus mit dem Zug zum Flughafen nach Frankfurt zu fahren. Zum Bahnhof von Tübingen gelangt er mit seinem auf seinen Vater angemeldeten Auto mit Hannoveraner Kennzeichen. Er stellt das Auto in einer Seitenstraße unweit des Bahnhofs ab. Bei dieser Straße handelt es sich um einen der wenigen Bereiche in Tübingen, wo das Parken gebührenfrei und ohne Anwohnerausweis möglich ist.

S konnte nicht wissen, daß am 12. Juli 1996 anläßlich der Verkabelung der Straße, in der S sein Auto abgestellt hat, umfangreiche Straßenarbeiten stattfinden sollten, für die die gesamte Straße gesperrt werden muß. Um zu gewährleisten, daß die Straßenbauarbeiten nicht durch parkende Autos gestört werden, stellen Bedienstete der Stadt Tübingen am 7. Juli 1996 unter anderem an der Straßenseite, auf der S seinen Wagen abgestellt hat, mobile Halteverbotsschilder (Zeichen 283 nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO) auf.

Am Morgen des 12. Juli 1996, unmittelbar vor Beginn der Bauarbeiten, beauftragt die Stadt ein Abschleppunternehmen mit der Entfernung des Wagens des S. Dieser wird auf ein städtisches Gelände gebracht.

Als S am 21. Juli 1996 nach Tübingen gut gebräunt zurückkehrt, sucht er deshalb sein Auto vergeblich. Er begibt sich zur nächsten Polizeidienststelle, um eine Diebstahlanzeige gegen Unbekannt zu erstatten und erfährt dort, was geschehen ist und wo er sein Auto abholen kann.

Am 22. Juli 1996 erhält der Vater des S, V, einen auf den 20. Juli 1996 datierten Kostenbescheid der Stadt Tübingen, in dem er aufgefordert wird, so schnell wie möglich DM 200,-- zu bezahlen. Diese Kosten seien der Stadt durch das Abschleppen entstanden.

S, der sich speziell für Verwaltungsrecht interessiert, traut seinen Augen nicht. Er behauptet, es könne nicht sein, daß sein Auto abgeschleppt werde, obwohl er es ordnungsgemäß abgestellt habe. Der Gipfel sei es jedoch, daß seinem Vater auch noch die Kosten für eine derartig rechtswidrige Maßnahme auferlegt werden sollen. Dafür gebe es überhaupt keine Rechtsgrundlage. Nach einem kurzen Blick in die Schemata legt er deshalb im Namen seines Vaters Widerspruch ein. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.

1. S möchte daraufhin für seinen Vater Klage erheben. Wird er damit Erfolg haben?

2. Würde sich an der rechtlichen Konstruktion etwas ändern, wenn S selbst der Halter

des PKW wäre und ihm, dem S, der Kostenbescheid zugestellt worden wäre?

3. Die Stadt Tübingen ist der Ansicht, daß sie trotz des Widerspruchs des Vaters die DM 200,-- zwangsweise beitreiben könne. Sie argumentiert, es handele sich bei den DM 200,-- um eine öffentliche Aufwendung im Rahmen eilbedürftiger polizeilicher Maßnahmen. Hat die Stadt Recht?